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Virtuelles ELAF 2021, Fachhochschule Graubünden
Interview Carolin Ermer FINAL.mp4 from Anna Schmidhauser on Vimeo.
August 2020: Responsible Textiles And Fashion Design
März 2020: Fashion Week Berlin - Zero Waste & On Demand Production
Januar 2020: Fashion Week Berlin - About Upcycling
13. January 2020: Speaker, Future of fashion - shift towards sustainable consumption
Inhalt
Das Buch ist für Modedesignlehrende und -studierende sowie für Menschen gedacht, die sich auf einer
wissenschaftlichen Ebene mit Nachhaltigkeit und Mode auseinandersetzen möchten. Es führt in die Begrifflichkeiten
Nachhaltigkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung ein und zeigt den aktuellen Status Quo im Bereich Mode und
nachhaltiges Design auf.
Der weitere Schwerpunkt liegt im Bereich der zukunftsorientierten Kompetenzentwicklung für Nachhaltigkeit,
der in der Auseinandersetzung mit Studierenden heute unentbehrlich ist.
Basis der Untersuchung ist das Modell der Gestaltungskompetenz von de Haan. Als Ergebnis wird ein eigenes und
ganzheitlich ausgerichtetes Lehr- / Lernmodell für Modedesign vorgestellt, welches auch auf andere Designdisziplinen
angewendet werden kann. Das Modell ist sehr praxisorientiert und eignet sich für die direkte Umsetzung in den
Unterricht bzw. für die Anwendung auf das gesamte Curriculum Modedesign.
Erschienen im Diplomica Verlag.
Erhältlich bei Fairbuch.
ISBN 978-3-96146-687-0
Leseprobe
Die Begrifflichkeit der Mode lässt sich schwer fassen, geschweige denn in Worte fassen, denn man kann sich ihr aus unterschiedlichen Richtungen und Disziplinen nähern. Auf ihre reine Funktion reduziert ist Mode die schützende Hülle zwischen Körper und Außenwelt, nicht nur vor Umwelteinflüssen, sondern auch vor der sozialen Welt in der wir leben. Daher wird Kleidung auch oft als "zweite Haut" bezeichnet (Loschek 2007, S. 24). Aber "Mode ist mehr als die Summe von Kleidung und Textilien. ...Sie bietet Zugang zur Gesellschaft, zur Kultur und zu sich selbst" (ebd. 2007, S. 249). Betrachtet man Mode als soziologisches Phänomen, so dient sie dem Ausdruck der eigenen Persönlichkeit (Simmel 1905; Vinken 1993; Hollander 1997; Loschek 2007) und somit dem Wohlbefinden des Menschen, der sich jeden Tag neu dafür entscheidet, was er trägt. So stellte Simmel bereits 1905 über die Mode fest:
Sie ist Nachahmung eines gegebenen Musters und genügt damit dem Bedürfnis nach sozialer Anlehnung, sie führt den Einzelnen auf die Bahn, die [sic!] Alle gehen […] Nicht weniger aber befriedigt sie das Unterschiedsbedürfnis, die Tendenz auf Differenzierung, Abwechslung und Sich-abheben (Simmel 1905, S. 11).
Mode kann einerseits Rückzugsmöglichkeit und emotionalen Zuspruch bieten, andererseits ein selbstbewusstes Auftreten und innerliche Stärke unterstützen (vgl. Loschek 2007). Selbst wenn man sich klar als "unmodisch" definiert und meint, sich nicht nach Trends zu richten, ist man doch Teil dieser Modewelt, denn man trifft täglich eine Entscheidung darüber, wie man sich kleidet, ob man sich an einem aktuellen Trend orientiert oder einer bestimmten soziologischen Gruppierung zuordnen lässt. Diese kann sich auf Faktoren wie das Geschlecht oder Alter beziehen, z.B. Kleidung für Senioren oder Teenager, auf das Lebensumfeld (oder die Peergroup) beziehen, z.B. in Sub-kulturen wie HipHop, Punk oder Hipster und auch die Profession beziehen, wie z.B. Banker, Professoren, Künstler oder Yogalehrer. Mode kann somit als eine Art "Uniform" fungieren, die eine schnelle gesellschaftliche Zuordnung möglich macht.
"Das System Mode bestimmt selbst, einerseits welche Faktoren (Kommunikation, Zeit, Raum, Sinn) bedeutsam für es sind beziehungsweise worauf es angewiesen ist, andererseits welchen Output es erbringt, im Sinne eines Input-Output-Modells" (Loschek 2007, S. 33) und ist viel mehr als der pure Spaß an dem "Sich Kleiden". So beschreibt Loschek aus systemtheoretischer Sicht die Funktion des Phänomens der Mode, orientiert an Luhmann, als "autopoietisches (selbst-referentielles) System ähnlich wie Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Sport u.a., welches keinen Zugriff auf sich selbst hat und übergeordnete Organisationen, "Verbände und Institute der Modeindustrie sind keine zentrale Adresse für 'die Mode', noch bestimmen sie, was Mode wird" (Loschek 2007, S. 33). "Autopoiesis bedeutet, dass alle Systeme zu immer neuen Formen / Inhalten kommen müssen, wenn sie nicht kollabieren sollen, so auch Religion, Politik, Mode" (Loschek, 2007, S. 33)." Mode muss sich also aus sich selbst heraus immer wieder neu erfinden, um weiter existieren zu können.
4.2. Mode als Massenware
War die Verbreitung von bestimmten Trends in der Mode ursprünglich stets dominiert von dem sogenannten "Trickle-Down-Prinzip" (Richard 1998, S. 59), welches die gesellschaftliche Zirkulation von Mode als ein "Durchsickern" der Trends von oben nach unten in soziologischen Basismechanismen bezeichnet, so hatte dies ihre Verbreitung in regelmäßigen Zyklen von Trends der Kollektionen von der Haute Couture bis hin zur Mode für die Massen zur Folge, welches sich in einem Zeitraum von maximal einem Jahr oder länger abspielen konnte. "Der Weg führte vom Original und exklusiv elitären Gegenstand zum seriellen Produkt" (ebd. 1998, S. 59). Seit dem Beginn der Globalisierung und der damit einhergehenden Zunahme der globalen Verfügbarkeit von Wissen und Informationen, haben sich die Trends zunehmend beschleunigt und durchmischt. Sie können dabei auch immer schneller den entgegengesetzten Weg nehmen, also "Tendenzen der Straße" aus der Jugendkultur in die großen Haute Couture - Häuser wie Chanel oder Dior aufsteigen. Polhemus beschreibt dies als "Bubble up-Effekt" (vgl. Polhemus 1994), zu beobachten aktuell z.B. auch an Trends, die durch Blogger und soziale Kanäle wie YouTube oder Instagram "aufsteigen".
Mode ist somit demokratischer und schnelllebiger geworden, welches aktuell leider auch massive negative Effekte mit sich bringt. Es existieren heute oft mehrere Modetrends nebeneinander, sie lösen sich immer schneller ab und der Konkurrenzkampf der auf Wachstum ausgelegten großen Textilketten wie H&M, Primark oder Zara, die sich seit den 1980er Jahren mit stetig wachsender Anzahl an weltweit existierenden Filialen auf dem Markt durchgesetzt haben, heizt den aggressiven Preiskampf und die daraus folgende Konsum-Spirale zusätzlich an. Kollektionen können anhand optimierter Produktionszyklen ("supply chains") von den großen Ketten aktuell innerhalb von nur 6 Wochen entwickelt, produziert, in die Läden gebracht und ausgetauscht werden (vgl. Hines & Bruce 2007). Diese Dynamik hat dafür gesorgt, dass unsere Kleidung in den letzten 20 Jahren immer günstiger geworden ist und wir immer mehr konsumieren (Allwood et al. 2006, S. 11). Einhergehend damit hat in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts der Preisverfall für Bekleidung stark zugenommen, in Europa sogar um 26,2 % (Anson 2010, S. 5).
Mode ist schon immer ein Konsumgut gewesen. Heute, in Zeiten von Fast Fashion, ist sie zur Massenware geworden (Vinken 2007, S. 161). Wir konsumieren immer mehr und in immer kürzeren Zyklen und Mode ist dadurch zu einem Wegwerfartikel geworden, der immer weniger wertgeschätzt wird. Dies zeigt sich auch in Studien, die belegen, dass bis zu 70% unserer Kleidung nur im Kleiderschrank hängt und gar nicht getragen wird (vgl. CCC 2016). 750.000 Tonnen Kleidung werden in Deutschland pro Jahr weggeworfen oder landen in Altkleider-Containern (vgl. Dachverband Fairwertung 2017). Dazu kommt die Tatsache, dass wir heute generell im Vergleich zu vorigen Generationen nicht mehr so viel arbeiten müssen, um uns Konsumgüter leisten zu können und aus diesem Grund schlicht mehr konsumieren (Sommer & Welzer 2016).
Große "Textilriesen" wie H+M oder Zara und sogar Discounter wie Lidl, die ebenfalls den Markt der Mode erobert haben, produzieren so gut wie ausschließlich in Entwicklungsländern, z.B. Bangladesch, Indonesien oder Marokko (CCC 2016).
There is no underestimating the global significance of fashion and its means of production, which links world economics. As Western consumption levels have increased, so production and manufacturing in the developing world have expanded (Corner 2012, S. 127).
Die negativen und katastrophalen Auswirkungen, die nicht nachhaltige Mode mit sich bringt, sind vor allem in den Ländern spürbar, in denen sie produziert wird. Es lässt sich auch aus diesem kurzen Einblick erkennen, dass die Problematik der Verbindung von Mode und Nachhaltigkeit darin besteht, dass hier nicht nur die unterschiedlichen Strukturen eines ausschließlich nicht nachhaltig aufgebauten Systems, sowohl als Produktionssystem, welches von der Schnelllebigkeit seiner Trends lebt, als auch als psychologisches System von "values and beliefs" der Produzenten, Einkäufer und Konsumenten (vgl. Fletcher 2010) grundlegend transformiert werden müssen.