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design kann mehrwerte generieren in bezug auf produkt und user.

Nachhaltige Designstrategien

Nie war die Vielfalt an unterschiedlichen Designstrategien so groß wie heute: Modernes Design ist heute nicht nur ästhetisch, zielgruppenorientiert und zweckbestimmt, es beinhaltet im Optimalfall oft auch mehrere Funktionen oder Designstrategien in einem Produkt. So kann Design Mehrwerte generieren in der Beziehung von Produkt und Nutzenden.

Haben Modedesignende noch vor 20 Jahren ihr Hauptaugenmerk vor allem auf Trend, Optik und Ästhetik gelegt, so ist „Mode machen“ angesichts des stetig steigenden Tempos, in dem sie produziert wird, sowie den daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf soziale, ökologische und ökonomische Missstände, sehr viel komplizierter geworden. Andererseits birgt die aktuelle Situation der Mode aber nicht nur eine eindeutige Aufforderung an Designer, Design neu zu denken, sondern auch ein hohes Potential an Mitgestaltung der Gesellschaft und der Welt, in der wir zukünftig leben wollen. Langfristig kann Modedesign also heute und in Zukunft nicht nur einen positiven Mehrwert für Nutzende, für die uns umgebende Umwelt und nachfolgende Generationen generieren, sondern auch für die Designenden selbst.

Eine Auswahl an Themen und Designstrategien in der aktuellen Diskussion um Nachhaltigkeit und Zukunftsorientierung in der Mode sind:

    1) Ressourceneffizienz / Minimizing Waste
  • Re- / Upcyclinginfo
  • Recycling
    Bereits benutzte Kleidungsstücke oder andere textile Abfälle oder Reste werden zu neuen Kleidungsstücken. Das Spektrum reicht aktuell von Schultertaschen aus LKW-Planen (vgl. Label Freitag) bis zu Kleidern aus Herrenhemden (vgl. Label Schmidttakahashi) oder alten Socken (vgl. Label Chaussette Orphelines). Diese Strategie wurde bereits zu Kriegszeiten im vorigen Jahrhundert angewendet und wurde damals natürlich aus der Not heraus geboren. Man hat aus alten Tischdecken Röcke genäht und aus Opas altem Pullover einen neuen gestrickt. Heute wird der Begriff Recycling oft im Sinne von Downcycling verwendet, da man davon ausgeht, dass Materialien, sobald sie recycelt werden, an Wert verlieren bzw. nur für niedere Qualitäten herhalten können, z.B. als Putzlappen. Dies gilt aber nicht für die Designstrategie an sich, sondern nur für Prozesse aus der Produktion, bei denen Materialien z.B. zu Faserflocken zerrissen werden, um daraus neue zu spinnen. Diese Fasern sind dann meist kürzer und weniger belastbar bzw. ansehnlich.

    Upcycling
    Im Gegensatz zu Recycling bezieht sich der Begriff Upcycling ursprünglich auf das Entwickeln neuer Kleidungsstücke aus Überhängen und Überproduktionen sowie ungetragene Fehlproduktionen (vgl. Label „From somewhere“). In jedem Fall handelt es sich um neue und unbenutzte Ware, die mit einem neuen Design in den Verkauf kommt. So können aus nicht verkauften Badeanzügen Kleider entstehen oder aus Hosen werden Mäntel. Heute wird der Begriff Upcycling auch gern für Produkte verwendet, die durch einen Recycling-Designprozess aufgewertet werden.
  • Zero Waste Designinfo
  • Bei der Fertigung von Kleidung entstehen unglaublich viele Abfälle unterschiedlichster Art. In Bezug auf Stoffe lassen sich die Abfälle in Pre- und Post-Consumer Waste einteilen: Pre-Consumer Waste bezieht sich auf Abfälle, die bereits vor der Nutzung der Kleidung anfallen. Das sind z.B. Musterkollektionen und -teile, überschüssige Stoffrollen und die ca. 15% Stoff, die anfallen, wenn industriell produziert und in Lagen und mit Schnittlagebildern zugeschnitten wird. Post-Consumer Waste bezieht sich auf die Kleiderberge, die entstehen, wenn wir Kleidung nicht mehr benutzen möchten und diese entweder in den Restmüll oder in Recyclingtonnen geben.
    Zero Waste Design hat den Anspruch, dass durch die Produktion der Bekleidungsstücke gar kein Müll mehr anfallen soll. Das Design wird unter der Prämisse entwickelt, dass jedes noch so kleine Stück Stoff verwendet werden muss. Dies führt dazu, dass Schnitte einerseits locker und weit sind, z.B. Röcke oder Tube Dresses aus einfachen Rechtecken und Quadraten. Sobald man sich dem Körper jedoch weiter annähert und figurbetonte Kleidung entwerfen möchte, werden die Schnitte sehr kleinteilig und höchst kompliziert.
    Dies ist auch der Grund dafür, dass Zero Waste Design bisher nicht in großem Maßstab durchgeführt wird, sondern noch in der Entwicklungsphase ist (MacQuillan&Rissanen, 2016).
    Handstrick ist übrigens schon immer Zero Waste gewesen.
  • Circular Designinfo
  • Der Begriff Circular Design lässt sich als übergeordnete Designstrategie bezeichnen, die das Ziel hat, Materialien möglichst lange in Produktions- und Konsumkreisläufen zirkulieren zu lassen. Diese Kreisläufe können mannigfaltig sein, nebeneinander und miteinander existieren und diverse Strategien wie Upcycling oder Emotional Design gleichzeitig beinhalten. Die Idee eines zirkularen Designansatzes stammt ursprünglich von Braungart & McDonough, die diesen bereits in den 1990er Jahren unter dem Begriff „Cradle-to-Cradle®“ entwickelt haben (Braungart&MacDonough, 1993). Ein Design, das nicht mehr linear denkt, wie wir es bisher kennen, also von der Wiege des Produkts zur Bahre, sondern von der Wiege zur Wiege, um so scheinbar unendliche Kreisläufe entstehen zu lassen und die Nähr-oder Wertstoffe immer weiter nutzen zu können.
    Einziger Kritikpunkt an diesem ganzheitlichen Ansatz ist die Tatsache, dass sich in Zukunft aufgrund der steigenden Weltbevölkerung immer mehr Produkte in diesen Kreisläufen befinden werden und wir uns mit mehr und mehr Materialien auseinandersetzen müssen. Lösungsansätze könnten hier Designprozesse sein, die sich damit auseinandersetzen, wie durch die richtigen Produkte, Kreisläufe noch weiter verlangsamt und Materialien darin langfristig reduziert werden können.
2) Co-Design Strategien
  • Social Designinfo
  • Bei Social Design steht die Wertschätzung für und die Förderung von Menschen, mit denen Produkte entwickelt werden, im Vordergrund. Es ist ein Design, welches durch kollaborative Prozesse entsteht und uns über globale und gesellschaftliche Grenzen hinweg mehr miteinander in Kontakt bringen soll. Die Produkte werden daher in erster Linie interdisziplinär und interkulturell entwickelt. Social Design trägt zur Förderung von sozialen Projekten bei, z.B. ein Empowerment von Frauen in entwicklungsschwachen Ländern oder von geflüchteten Menschen in ihrer neuen Heimat (vgl. Label bridge&tunnel).
  • Emotional Designinfo
  • Alle Produkte, mit denen wir uns tagtäglich umgeben, wecken unsere Emotionen! Positive Emotionen wie Freude, Empathie und Wohlbefinden können durch Emotional Design ausgelöst und langfristig gehalten werden. Da alle Menschen gern möglichst viele positive Emotionen spüren möchten, haben Produkte, die diese auslösen können, eine hohe Erfolgsquote. Es können Emotionen sein, die persönlicher Natur sind oder situationsabhängig, z.B. ein Pullover, in dem man sich geborgen und sicher fühlen kann. Emotional Design sorgt auch dafür, dass wir Unternehmen vertrauen und steht gleichzeitig für die hohe Qualität, die wir von ihnen erwarten. Auch Tradition und Handwerk lassen sich mit direkten und positiven Emotionen assoziieren und erreichen so eine hohe Wertschätzung für die entwickelten Produkte. Dies sorgt im Umkehrschluss dafür, dass wir uns lange an diese Produkte binden möchten. Emotional Design unterstützt also langfristige Beziehungen zwischen Produkten und Kunden. Diese Designstrategie zeigt auch auf, dass ein Umdenken zu „Weniger ist mehr“ möglich ist und das Konsumverhalten sich durch die richtigen Produkte verlangsamen und verändern kann.
  • Open Designinfo
  • Auch Modedesignende arbeiten heute nicht mehr im stillen Kämmerlein an ihren einzigartigen Kreationen. Es wird gemeinsam entworfen und Ideen werden offen und transparent geteilt. Diese Entwicklung ist für Modedesign relativ neu, ist aber aufgrund der Herausforderungen, die heute an uns als Designer vor allem in Bezug auf Nachhaltigkeit gestellt werden, nur folgerichtig und logisch. Die Probleme, die unsere momentane Bekleidungsindustrie auf der Welt ausgelöst hat, sind so massiv und so drängend, dass wir sie nur gemeinsam angehen und lösen können. Open Source wird aktuell auch in anderen Bereichen wie z.B. Wissenschaft immer mehr diskutiert und sorgt dafür, dass Entwicklungen einfach schneller vorangetrieben werden können. Auch im Zero Waste Design gibt es Open Source Quellen, von denen man diverse Produktionsdokumente und -anleitungen herunterladen kann (makeuse.nz).
    Co-Design kann ganz unterschiedliche Stakeholder miteinbeziehen. So können auch inter- und transdisziplinäre Prozesse angestoßen werden, in denen z.B. Produkte gemeinsam von Designenden mit Produzierenden und Forschenden oder auch dem Handwerk entwickeln werden. Das Besondere daran ist, dass alle Stakeholder gleichberechtigt sind. Wenn Design gemeinsam entwickelt wird, also demokratischer wird, werden öfter Kompromisse und Abstriche von unseren eigenen Vorstellungen gemacht werden müssen. Es hat aber den klaren Vorteil, dass wir gemeinsam eine Zukunft entwickeln können, mit der und in der wir alle gut leben können.
  • Gift Designinfo
  • Die Idee des Gift Designs ist ursprünglich Anfang der 2010er Jahren in einem College in London im Unterricht Modedesign entstanden. In der Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und Mode und der Erörterung des eigenen Werteverhaltens bekamen Studierende die Aufgabe, auf die Straße zu gehen, einen wildfremden Menschen anzusprechen und ihn dazu zu überreden, speziell für ihn etwas zu entwerfen und zu fertigen. Der Designprozess ist hier ein Vermittler und beinhaltet gleichzeitig noch eine weitere intensive Entwicklungsphase: die des Kennenlernens über das Design im Sinne emotionaler Intelligenz.
    Design wird hier also zu einem Tool der Verständigung und der Erweiterung des eigenen Horizonts an „values and beliefs“. Es kann innerhalb des eigenen Prozesses soziale Kompetenzen von Designenden und Beschenkten erweitern, wie z.B. Mitgefühl und Empathie. Dieses erfordert von Designenden emotional sehr viel, aber das Projekt war sehr erfolgreich und die Zusammenarbeit und das Kennenlernen zweier fremder Menschen wurde in diesem Zusammenhang als sehr bereichernd und wertvoll eingeschätzt. Gift Design lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen, es muss nicht unbedingt jemand Fremdes sein. Von Bedeutung ist, dass das Design zu einem Symbol für Verständigung wird und dafür muss es frei sein von seinem eigentlichen Nutzen, nämlich dem entwickelten Produkt, welches zu einem bestimmten Preis verkauft wird.
  • Local Designinfo
  • Local Design bezieht sich wie der Name bereits sagt, auf die Rückbesinnung der Kooperation von Designenden mit lokalen Unternehmen. Hier steht der Erhalt der Struktur in der Gemeinde oder dem Viertel im Vordergrund sowie gleichzeitig ein Erhalt von traditionellem Handwerk und historischen Techniken. Local Design kann alte Techniken neu interpretieren und so wiederbeleben und sichern. Es kann aber auch konzeptionell lokale Unternehmen miteinander verbinden und bereits Bestehendes sichern und fördern. Vorteil von Local Design ist, dass kurze Wege und Kommunikation nicht nur nachhaltiger sind, sondern auch zu schnellerer und effektiverer Produktion führen und so auch kurzfristig reagiert und produziert werden kann. „Back to the roots“.
3) Service-orientiertes Design
  • EasyCare und Userfriendly Designinfo
  • Userfriendly Design ist ein Design, welches sich leicht und vor allem selbst reparieren lässt. Es wird unter der Prämisse des Reparierens und Instandhaltens entwickelt und unterstützt die Nutzenden von Bekleidung, die Produkte lange zu verwenden. Voraussetzung für diesen serviceorientierten Ansatz ist, dass Ersatzteile vorhanden sind oder ein Reparaturservice der Unternehmen besteht (vgl. Nudie Jeans, Patagonia).
  • Multiple Use / Re-Use Designinfo
  • Bei diesem Design steht der vielseitige Nutzen von Produkten im Vordergrund. Es können Produkte sein, die zu anderen Bekleidungsstücken umfunktioniert werden können, z.B. durch Reißverschlüsse oder Knöpfe die Beine kürzen oder ein Winterfutter einsetzen. Es sind auch Produkte, die man nach dem Tragen zu anderen Zwecken einsetzen kann, z.B. ein Mantel, der zur Decke wird durch Verschlüsse oder Einsätze.
  • Adaptable Design / Smart Designinfo
  • Intelligentes Design, welches sich durch High Tech Materialien und Smart Textiles an Gewohnheiten oder Umgebungen von Nutzenden anpasst, z.B. Aufnehmen und Abgeben von Wärme in Sportkleidung oder Kleidung, die sich an die individuelle Form des Körpers anpasst. Die erweiterte smarte Funktion und der besondere Nutzen neben den eigentlichen bekleidungsphysiologischen Eigenschaften stehen hier im Mittelpunkt.
  • Versatile Designinfo
  • Multi-funktionales Design, welches für Nutzende verschiedene Möglichkeiten der Benutzung auf einmal zulässt, z.B. Smart Textiles, die Regenschutz und Sonnenschutz gleichzeitig bieten oder ein eingebautes Ladegerät für Devices in der Hose, die gleichzeitig weitere Funktionen beinhaltet oder auch ein T-Shirt, welches durch Einsätze oder Falten unterschiedliche Größen auf einmal generieren kann.